Dienstag, den 2. Dezember 2008
Pacanquilla: Tag 5
Die schwierige Stimmung hält an, irgendwie ist der Wurm drin. Zu viele Menschen auf einen Knubbel, alle mit unterschiedlichen Erwartungen und auf der anderen Seite viele Sorgen wegen dem Reis und den vielen anderen Dingen die zu erledigen und planen sind.
Ich treffe die Entscheidung lieber erstmal wieder abzureisen, es ist Ilona und Victor nicht unrecht. Es ist besser für Alle, das wird mir spätestens nach einem intensiven Gespräch mit Victor und Ilona klar.
Habe dann auch meinen Koffer gepackt und wollte mit dem nächsten Bus los nach Lima, doch ganz plötzlich nach einem versöhnlichen Sekt und dem Mittagessen totaler Keislaufzusammenbruch und Schweißausbrüche und dann totaler knock out.
Abreise erstmal verschoben, wie gut, dass der Bus nicht früher gefahren ist, ich wäre über Nacht sicherlich darin gestorben ;-)
Montag, 1. Dezember 2008
Pacanquilla: Tag 4
Die Affen sind hier los und Cäcilia verzweifelt an den kleinen Unreinheiten in ihrem Zimmer, die 3 kleinen einheimischen Titiäffchen haben es eindeutig auf Cäcilia abgesehen; wenn sie böse mit ihnen wird, strecken sie ihr ganz keck die Zunge aus. So baue ich mit Dominik einen großen und hoffentlich Ausbruch sicheren Affenstall. Gebaut wird mit allem was zu finden ist, nicht wie bei uns; ab in den Baumarkt, Bretter und Nägel besorgt und los geht´s. Wir haben Bambus und Eukaytusstämme beisammen gesucht, gesägt und dann doch noch ins Dorf, Draht kaufen, so schlechte Qualität, dass ich die Affen schon beim nächsten Ausbruch sehe. Aber es wird ein Stall, was wollen wir mehr.
Die Hitze und Schwüle haut uns am Nachmittag reichlich um und die aggressiven Moskitos geben uns den Rest, Cäcilia muss noch einen weiteren Tag mit den Affen streiten, der Stall wird leider trotz große Unterstützung durch die Kinder, die immer gerne mit anpacken, nicht fertig.
Die schlechte Stimmung hält an, ich überlege aufzubrechen, wir brauchen alle mehr Zeit und Ilona und Victor müssen erst die dringesten Sorgen wegen des Reises los werden und mir stecken Hummeln im Hintern, habe das Bedürfnis erst noch weiter zu reisen, ich bin noch nicht am Ziel angekommen.
Der Reis ist hier ein großes Thema, durch den Bruch eines Staudamms ist der Grundwasserspiegel enorm gestiegen und macht zum ersten Mal Reisanbau hier in der Gegend möglich. Für das Projekt besteht damit die Hoffnung auf Unabhängigkeit von Spenden, um die laufenden Kosten der Schule tragen zu können. Das wäre ein großer Schritt nach vorn und schafft Raum für notwendige weitere Investitionen. Hier wird noch soviel gebraucht, dabei ist schon so unglaubliches geleitet worden. Eine Oase im Elend und eine Zukunft raus aus der Armut für die Kinder, die mit so viel Freude lernen. Das tägliche Proben für die Weihnachtsfeier klingt immer so fröhlich zu uns rüber. Ich wünsche den Kindern hier so sehr, dass sie den Schritt nach vorn schaffen!!
Am Abend dann noch die gute Nachricht des Tages, das Wasser für die Flutung der Reisfelder ist von der „cooperativa“ freigegeben – natürlich nur mit Schwierigkeiten und hohen Bestechungsgeldern – und soll um Mitternacht für 18 Stunden laufen. Jetzt heißt es für Victor und Ilona im Dorf Arbeiter auftzureiben, die bereit sind die Nacht auf den Feldern zu verbringen, um das Wasser auf die vorbereiteten Felder zu leiten. Victor muss nun die Nacht den Wasserfluss kontrollieren. Hier passieren nämlich so seltsame Dinge, dass das Wasser von anderen Campesinos einfach umgeleitet, gestaut, oder sonst wie blockiert wird. Manchmal nur um den Nachbarn zu schaden, um Wasser hat es schon schlimme Auseinandersetzungen mit Macheten und Todesfolgen gegeben. Die vielen Geschichten ums Wasser, Brandstiftung und sonstigen Plagen sind für mich kaum nachvollziehbar, das ist schlimmer als im Wilden Westen hier. Leider herrscht hier nicht so etwas wie eine gemeinsame Aufbruchstimmung, sondern ein Gegeneinander, das macht die Arbeit hier extrem mühsam und gefährlich. Können sich die meisten Bauern doch freuen jetzt Reis anbauen zu können und dürfen – denn selbst das wird hier staatlich genau festgelegt, wo und wer Reis anbauen darf – da es ein einigermaßen sicheres Geschäft zu sein scheint, die Preise sind jedenfalls stabil.
Eine lange sternenklare Nacht habe ich mit Dominik im Garten verbracht und geredet und unsere Leben ausgetauscht, naja ein Teil, wir haben beide doch schon eine Menge erlebt, als das es in eine Nacht passt. Dominik ist ein bisschen Heimat für mich und erinnert mich an mein Leben mit Kolja, der gerade bei Minustemperaturen bibbert und wir sitzen hier in Shorts. Sind spätnachts noch auf die Felder, um das Wasser eintreffen zu sehen.
Sonntag, 30. November 2008
Pacanquilla: Tag 3
Pünktlich um 6 Uhr klopften die Jungs an mein Zimmer, auf zum Sonntagsausflug in die Berge. Ausgerüstet mit Wasser, Brötchen, Bananen und Mangos sind wir, Salomon, Aurelio, Dominick, Frederick und ich in eine eher unwirklich anmutende Bergwelt aufgebrochen. Ca. 6 Stunden Fußmarsch lagen vor uns. Die Sonne war gnädig und hat uns erst in der letzen Stunde, dann aber mit voller Wucht, begeleitet. Vorbei an Reisfelder, kleine Maisplantagen und immer wieder mal eine mehr als armselige Behausung der kleinen Bauern. Im Grunde leben die meisten Menschen hier in Einzimmerhäuser, in denen das ganze Leben, meist mit einer Großfamilie stattfindet. Einen Blick hinein habe ich bisher noch nicht gehabt. Besonders die super grünen Reisfelder lockern die triste Sandlandschaft erfrischend auf.
Die letzte flache Landschaft war übersät mit Müll, hier wird einfach aus Pacanquilla abgeladen was zu viel ist. Allerdings schon bestens nach verwertbaren Sachen durchsortiert. Und überall Schuhe. Hier läuft jeder mit Flip-Flops rum, die immer nur kurze Zeit halten und dann ab auf den Müll damit. Dominik meinte schon, man sollte eine Flipflop-Recyclingfirma damit aufmachen. Da käme hier auf jeden Fall gut was zusammen.
Und dann rein in die Berge. Felsen, Steine, hohe Sanddünen, Kakteen. Völlige Trockenheit. Die Kakteen sind die einzigen grünen Fleckchen in einer kargen Wüstenlandschaft. Über uns kreisten die ganze Zeit Geier. Kurzes Gestrüpp, dass einem die Beien zerkratzt ließ ahnen, dass die Landschaft sobald es ausgiebigen Regen gibt aufblüht und die Landschaft mit kleinen Blütchen übersät. Hier und da eine Eidechse in schillernden Farben und sonst nichts.
Jedenfalls wenn man nicht genau hinschaut und nicht weiß, wie herrlich es ist, die langen Sanddünen hinunterzurutschen. Und genau hier liegt für die 3 Jungs der Spaß an dem Ausflug, dafür gehen die gerne 6 Stunden durch Geröll und Sand.
Unser Frühstück haben wir mitten auf einem super schmalen Grat einer Sanddüne eingenommen, na ja ein bißchen sandig war alles schon, aber der Ausblick beeindruckend und die Freude dort oben endlich angekommen zu sein, groß. Und dann der große Goldrausch, haben wir doch feinen Goldstaub gefunden, oder war es doch eher Pyrit. Noch sind wir uns nicht einig und daher bleibt es unser großer Goldfund. Wir haben natürlich gleich eine kleine Tüte damit gefüllt.
Der Ausblick ins Tal war leider etwas diesig, aber der grüne Landstrich inmitten der kargen Berge ringsum war schon toll, irgendwie eine kleine grüne Oase.
Der Abstieg ging dann komplett durch Geröll und verrückt gefärbte Steine, die aussahen, als hätte sie jemand angemalt und vorbei an riesige Kakteen, die schon einige Hundert Jahre auf dem Puckel haben und mich an alte Western aus Mexico erinnert haben. Die kleineren Kakteen haben am Kopf eine Art Blüte, in der kleine süße Beeren steckten. Leider waren sie noch nicht reif – so habe ich die einzige Beere die wir gefunden haben bekommen, schließlich muss ich hier alles probieren.
Und so wartete nach unserer Wanderung ein typisch peruanisches Sonntagsgericht auf uns. Ceviche! Roher Fisch, Muscheln, eingelegt in Salz, Knoblauch, eingetaucht in Saft von den typischen kleinen Limonen, (40 Stück kosten hier so viel wie bei uns eine) und jede Menge Zwiebeln. Hier in der Familie die Lieblingsspeise, zum ersten Mal konnte ich leider kein mh lecker rausbringen. Mein Leibgericht wird es wohl eher nicht.
Am Abend Fotos aus Grambergen und von meiner Reise geschaut, irgendwie ein heftiger Kontrast zum einfachen Leben hier in Perus armen Norden. So treffen hier 2 Welten aufeinander die so noch nicht richtig passen wollen, die Stimmung ist jedenfalls angespannt, schon gleich nach unserer Wanderung. Haben wir uns zu viel miteinander vorgenommen? Ein halbes Jahr haben wir uns darauf vorbereitet, fast täglich gechattet , die Erwartungen waren groß und jeder hatte ganz andere. Bin gespannt, ob wir die Hürden schnell überwinden. Fühle mich hier dennoch ausgesprochen wohl und zu Hause und bin offen mit den Schwierigkeiten umzugehen, wie auch immer!
Samstag, 29. November 2008
Pacanquilla: Tag 2
Überall lauert hier auf dem Grundstück Arbeit und so sind wir 3 Besucher den ganzen Tag damit beschäftigt, den wirklich tollen, blühenden Garten von Ilona noch schöner zu machen. Büsche zurückschneiden, Wiese schneiden, harken, und den großen Pool endlich von den flutschigen Algen zu befreien.
Zum Glück haben die Zevallos einen gut gefüllten Brunnen, so dass das Wasser regelmäßig abgelassen werden kann. Nur mit dem notwendigen sauber machen tun sich die Kinder schwer. Kein Wunder, wir hatten wirklich zu fünft und nachher noch drei Nachbarskinder ordentlich zu schrubben. Mit Bürsten, Besen und mit Aurelios super Technik; ein engmaschiges Netz, darunter Sand streuen und dann mit den Füßen kräftig hin und her rubbeln. Mühsam zwar, aber die schnellste und effektivste Lösung – netter Nebeneffekt: die Hornhaut unter den Füßen ist komplett verschwunden.
Dabei könnte es ganz einfach sein, steht hier doch ein riesiger Hochdruckreiniger, der vor einigerzeit als Spende hier ankam rum, dumm nur, dass der Spender nicht auf Victor hören wollte, das dieses Gerät völlig überdimensioniert ist und hier auf Grund von fehlendem Starkstroms überhaupt nicht betrieben werden kann. Mit allen Tricks haben wir versucht den Stromfluss auszutricksen, nada, keine Chance, der schöne Kärcher wird wohl noch länger verstauben, verkauft werden darf er nämlich nicht, wer wollte den hier auch schon kaufen, ist doch selbst normaler Strom hier nicht selbstverständlich – gut gemeinte Entwicklungshilfe schlecht umgesetzt, ein normales Phämonen hier ;-(
Nach 5 Stunden endlich alles soweit sauber, dass keine Rutschgefahr mehr Bestand und berechtigte Hoffnung auf klares Poolwasser bestand. Das Ergebnis: klasse und natürlich mit alle Mann rein und wildes planschen!!!
Für den Abend waren Dominik im nahegelegenen Chepen, ein etwas größeres Städtchen, in dem die großen Kinder zur Schule gehen, für einen feuchtfröhlichen Abend als Arbeitsbelohnung und für den Ausflug am nächsten Tag einkaufen. Wir sind dort auf eine Beerdigungsgesellschaft gestoßen, die ihren Toten mit Pauken und Trompeten und quer durch die Stadt getragen haben.
Ansonsten wie auch in Pacanquilla ein kleines Lädchen neben dem anderen und jede Menge Obst- und Gemüse auf den Straßen. Das Angebot an Obst ist gewaltig, besonders die Mangos sind überwältigend im Geschmack, dabei kommen die besten Sorten noch. Limonen sind hier klein und sehr intensiv und saftig, 40 Stück kosten hier soviel wie bei uns zur Zeit 1 Biolimone. Banane gibt es viele verschiedene Sorten, auch die typischen Kochbananen, die beste Sorte habe ich allerdings wohl nicht erwischt, eher fad und wenig süß. Dafür frische Erdbeeren für den Kindercocktail.
Am Abend dann den ersten Pisco sour getrunken. Ein spezieller, heller Weinbrand mit viel Limone, Zucker und frisch aufgeschlagenem Eiweiß, darauf eine Prise Muskat, oder Zimt, je nach Geschmack. Dürfte hier mein Lieblingsgetränk werden. Ilona hat uns auf jeden Fall ein köstliches Tröpfchen gemixt.
Für die kids gab`s einen Erdbeercocktail mit frischer Ananas (auch ein Gedicht, nie bessere Ananas gegessen) mit Milch aufgeschlagen. Milch ist auf Grund von Brucellose sehr selten und entsprechend teuer. Mir ist es irgendwie ein bisschen unangenehm, dass ich mir das alles leisten kann, für mich ist es alles super billig, dennoch mache ich den Kindern gerne eine Freude, schwebe so ein bisschen zwischen den Welten.
Hier ist jeder gesparte Soles viel Geld, so wird hier aus wenig möglichst viel gemacht. Dabei herrscht hier im Haus mit fließendem, sogar warmen Wasser, einer Wassertoilette und Dusche, Kühlschrank und Waschmaschine für die Gegend wirklicher Luxus. Die Häuser ringsum bestehen aus 1-Zimmer Lehmhütten, wo fast alles auf dem Boden stattfindet, gekocht wird draußen, oft noch mit Holz und die großen Familien schlafen auf dem Boden, ohne Matratzen. Mich macht die Armut hier sehr traurig, und doch es haut mich nicht so um, wie erwartet, ich kann es als fürchterliche Tatsache annehmen. Die lange Anfahrt war wirklich eine gute Vorbereitung auf die vielen Eindrücke hier. Konnte mich so langsam auf die immer trostloseren Verhältnisse einstellen. Ich vermisse bis auf meine Kinder und Enkel hier auch absolut gar nichts, außer ein kräftiges Brot, hier gibts nur schlappe Brötchen.
Das Fotografieren außerhalb des Grundstücks fällt mir sehr schwer, mich mitten rein mit `ner teuren Kamera zu stellen und die ärmlichen Verhältnisse zu knipsen kommt mir falsch vor, anderseits muss ich es lernen, will ich doch von den schlimmen Zuständen berichten. Dafür brauche ich wohl noch mehr Zeit!
So ist ein lustiger Abend noch mit Pina Collada fröhlich zu Ende gegangen!